Dr.-Ing. Alanus von Radecki

© Fraunhofer IAO

1. Was steckt hinter der Morgenstadt Initiative?

Die Morgenstadt Initiative ist ein Verbund von Städten, Unternehmen und angewandter Forschung. Wir denken Innovationen für die nachhaltige, lebenswerte Stadt der Zukunft voraus und entwickeln und pilotieren sie. Das Besondere an der Morgenstadt Initiative ist, dass wir eine systemische Perspektive auf die Stadt als Transformationsgegenstand haben. Wir reduzieren unseren Blick nicht auf einzelne Sektoren, sondern denken immer die komplexen Wechselwirkungen zwischen Technologie, Mensch, Wirtschaft, gebauter Stadt, Umwelt und Institutionen mit. Hierdurch kommen wir zu neuen Lösungen und Konzepten, die langfristig echte Transformationen unserer Städte schaffen und nicht zu "Rohrkrepierern" werden. Die Frage der Finanzierbarkeit und Skalierbarkeit von Innovation schwingt bei uns immer mit.

Im Kern der Morgenstadt Initiative steht ein Innovationsnetzwerk aus Kommunen, Unternehmen und Fraunhofer-Instituten. Über eigene Analyseinstrumente und Innovationsformate identifizieren wir aktuelle Herausforderungen von Städten und städtischen Akteuren (z. B. auch der Wohnbauwirtschaft oder Stadtwerken) und überführen diese in Projektideen, die auf den Potenzialen neuer, sauberer und vernetzter Technologien aufbauen. Meist nutzen wir Fördermittel auf Landes-, Bundes- und EU-Ebene, um diese dann auch in die Umsetzung zu bringen. Auf diese Weise haben wir bereits ca. 500 Millionen Euro an Projektmitteln erschlossen und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Transformation unserer Städte in Europa.

2. Welche Projekte und Lösungsansätze unterstützt die Morgenstadt Initiative?

Mit dem Morgenstadt City Lab bieten die Morgenstadt Experten ein eigenes Instrument an, um eine ganze Stadt zunächst über fundierte Analysen systematisch zu verstehen und anschließend über die Entwicklung einer individuellen Innovations- und Projekt-Roadmap zu transformieren. Dieses Vorgehen wurde bereits erfolgreich in Städten wie Prag, Lissabon, Chemnitz, Leipzig, aber auch Tiflis (Georgien) oder Coimbatore (Indien) angewandt.

Eine wichtige Ebene ist für uns zudem das Quartier. Immer häufiger suchen Kommunen und Quartiersentwickler unsere Unterstützung zu einem frühen Zeitpunkt der Entwicklung. Die Systemperspektive der Morgenstadt ermöglicht es uns, saubere und vernetzte Technologien und Infrastrukturen im Quartier früh aufeinander zu beziehen und so die Synergien zu nutzen, die sich aus einer engen Verschränkung der Bereiche ergeben. Zudem lassen sich hieraus früh planerische und bauliche Anforderungen an das Quartier ableiten. Dadurch kann dann z. B. die Energieeffizienz der Gebäude optimiert und der Anteil der erneuerbaren Energien im Quartier gesteigert werden. Vernetzte Mobilitätslösungen helfen, Parkraum zu sparen, und ein kluges Datenmanagement hilft dabei, Bewohnern und Unternehmen im Quartier neue Dienste bereitzustellen.

Die konkreten Herausforderungen der Städte haben wir zudem in eine Innovationsagenda mit zwölf Forschungsbereichen überführt. Darunter finden sich Themen wie Mobility-as-a-Service, hybride Energiesysteme, die Steuerung von sowie die Bemessung des Werts urbaner Daten, kommunale Klimaanpassung und naturbasierte Lösungen oder auch smarte Wasserinfrastrukturen oder Urban Farming. Siehe hierzu auch https://bit.ly/2lBC7Dh.

Diese Themen bearbeiten wir in dezentraler Weise und nutzen sie, um mit unseren Partnern neue Lösungen für die Stadt der Zukunft zu entwickeln. Projekte wie UnaLAB (https://bit.ly/2lY61C7), Triangulum (https://bit.ly/2luIAjw) oder SPARCS (https://bit.ly/2lwZRZl) sind z. B. hierdurch entstanden. In einigen Fällen definieren wir auch eigene Innovationspartnerschaften und vertiefen die Zusammenarbeit mit einzelnen Partnern z. B. bei der Urban Data Partnership (https://bit.ly/2ltZK0M), die im Herbst 2019 startet. Hierbei geht es dann meist um Forschungsfragen, die eine hohe Relevanz für viele angrenzende Felder aufweisen.

3. Welche Vorteile bieten sich den Mitgliedern des Innovationsnetzwerkes der Morgenstadt Initiative?

Die Mitglieder des Morgenstadt Netzwerks werden in eine kontinuierliche Innovationspartnerschaft eingebunden.

Städte und Unternehmen erhalten frühzeitig Zugriff auf neues, praxisrelevantes Wissen. Sie können die Tools und Instrumente nutzen, die wir über die letzten Jahre entwickelt haben – z. B. für die Stadtanalyse, das Lösungsdesign oder die Projektentwicklung – und sie werden früh und effizient in Konsortien eingebunden, um Fördermittel für die Erprobung unserer Konzepte und Lösungen zu erhalten.

Jede Stadt und jedes Unternehmen kann prinzipiell Mitglied in der Morgenstadt Initiative werden. Wir fokussieren die Zusammenarbeit allerdings vor allem auf die Innovationstreiber, also diejenigen, die bereit sind, neue Wege zu gehen und Zeit und Ressourcen in die Erprobung und Demonstration nachhaltiger, innovationsgetriebener Stadtentwicklung zu stecken.
Aus diesem Grund gibt es verschiedene Mitgliedsmodelle. Es ist alles möglich von einer einfachen Mitgliedschaft, bei der es vor allem um das Netzwerk, den Austausch und das Lernen geht, über die Innovationspartnerschaften, bei denen wir gezielt gemeinsame Themen erforschen und entwickeln, bis hin zu einer engen bilateralen Zusammenarbeit, bei der Morgenstadt Experten auch eine Zeit vor Ort bei den Partnern in das Geschehen eingebunden sind und längerfristige Projektziele gemeinsam verfolgen – z. B. im Living Lab Ludwigsburg oder in der Urban Development Initiative (UDI) Eindhoven.