Karim Tarraf

Karim Tarraf, Mitgründer und CEO von Hawa Dawa

© Hawa Dawa

Das Münchner Start-up Hawa Dawa sorgt mit seiner Data-as-a-Service (DaaS)-Lösung für einen einfachen Weg, die Luftqualität einer Umgebung zu analysieren und – im nächsten Schritt – zu managen. Dazu werden Luftqualitätsdaten aus unterschiedlichen Quellen zusammengeführt und mithilfe von KI-basierten Algorithmen mit weiteren Einflussfaktoren in Beziehung gesetzt. Das Ergebnis: Ein genaues Bild des Luftqualitätszustandes vor Ort. Und das nicht nur für die Situation in Echtzeit, sondern auch aus der Vergangenheit und für die Zukunft. Im September 2022 berief der Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz Robert Habeck Karim Tarraf in den Beirat „Junge Digitale Wirtschaft". Tarraf übernimmt den Vorsitz des Chapters „Startup Kompetenzen für öffentliche Aufträge".

Umweltdaten als Grundlage für Entscheidungsfindungen

Die Lösung von Hawa Dawa ermöglicht, detaillierte Informationen über die Belastung durch Luftverschmutzung zu sammeln. Dazu nutzt das Team Daten, die von Satelliten, bodengestützten öffentlichen Messstationen und IoT-Sensoren erfasst werden. Sie machen sichtbar, wo welche Belastungen, beispielsweise durch Feinstaub, bestehen. Die Ergebnisse dieser Analyse dienen im nächsten Schritt als Entscheidungsgrundlage für nachhaltige und umweltbewusste Planung, zum Beispiel für Bebauungspläne, Quartiersentwicklung, Verkehrsmanagement, Gesundheitsmaßnahmen oder Freizeitangebote.

Umweltsensibles Management, zum Beispiel von städtischen Infrastrukturen hat wiederrum maßgeblichen Einfluss auf die Lebensqualität im urbanen Raum und auf das Klima. So sorgt die Lösung von Hawa Dawa dafür, dass die Räume, in denen wir leben, perspektivisch so neu- und umgeplant werden, dass bessere Luftqualität für alle gewährleistet ist.

Im Interview erzählt Karim Tarraf, CEO und Mitgründer von Hawa Dawa, woher die Idee zur Gründung kam, welche Herausforderungen es zu meistern galt und welche Rolle der Gründungswettbewerb – Digitale Innovationen bei der Gründungsreise spielen.

Welches Problem wollt Ihr lösen?

Das Thema Luftqualität wird, nicht nur in Deutschland, bisher verhältnismäßig wenig berücksichtigt, wenn es um Stadtplanung, Verkehrsmanagement oder die Planung von Gesundheitsmaßnahmen geht.

Tatsächlich gab es vor unserer Lösung kaum Möglichkeiten, auf einfachem Wege Informationen über die Luftqualität an einem bestimmten Ort zu bekommen. Weil diese Daten schlichtweg kaum erhoben und wenn, dann ist der Zugang erschwert. Ich war und bin häufig in Kairo unterwegs oder auch in Indien – dort besteht dieselbe Informationslücke. Ich kenne aber viele Menschen – zum Beispiel Asthmatikerinnen und Asthmatiker –, deren Lebensqualität signifikant verbessert werden würde, wenn sie Zugang zu solchen Daten hätten. Und da lag es nahe, zu versuchen, hier eine Lösung zu finden. Wir haben im Laufe der Produktentwicklung einige Schleifen gedreht und sind teilweise Umwege gegangen bis wir letztlich bei der Data-as-a-Service Lösung in dieser Form gelandet sind, die wir heute anbieten.

Was waren die größten Herausforderungen, denen ihr begegnet seid?

Eine Herausforderung war definitiv die Produktentwicklung selbst. Anfangs haben wir noch an einem Wearable für Asthmatikerinnen und Asthmatiker getüftelt, das Auskunft über die Luftqualität der Umgebung gibt. Aber je mehr wir mit Betroffenen und auch mit Fachleuten auf dem Gebiet, zum Beispiel in der Klinik für Atemwegserkrankungen in Kairo, gesprochen haben und je besser wir verstanden haben, wo genau der Bedarf liegt, desto klarer wurde uns: Es braucht eine größere Lösung. Eine Lösung, die auch zur Stadtplanung, im Gesundheitsmanagement oder in der Ernährungssicherheit eingesetzt werden kann. Das war der Anstoß für die Software von Hawa Dawa, die heute am Markt ist.

Und dann war das Thema Investment eine Herausforderung. Global ist das Thema Luftqualität längst auf der politischen Agenda und der Markt für derartige Lösungen wächst stetig. In Deutschland war dieser Trend zur damaligen Zeit noch nicht angekommen und es war nicht einfach, hier – zumal als noch unbekanntes Unternehmen – den Weg zu bereiten. Da braucht man ein dickes Fell, wenn man erst nach gefühlt hundert Mal „Nein“ zwei Mal „Ja“ hört.

Welche Rahmenbedingungen sind fördernd und welche hemmend für eine Gründung?

Deutschland hat viele Initiativen, die Gründungen im Technologiebereich fördern. Das ist hilfreich, wenn man gerade am Anfang steht und finanzielle Mittel und / oder das passende Netzwerk braucht, um Entwicklungen voranzutreiben. Die Herausforderung besteht, denke ich, aber darin, über die Phase der Innovationsentwicklung hinauszukommen und Strukturen zu schaffen, wie diese neuartigen Lösungen auch in der Wirtschaft und Gesellschaft Fuß fassen können. Also Innovationsförderung nicht nur um der Innovationen willen, sondern für eine aktive Implementierung in unser Leben.

Wie empfindest Du die Gründungsstimmung in Deutschland? Warum habt Ihr Euch München als Standort ausgesucht?

Ich denke das kommt stark auf den Bereich an, in dem man unterwegs ist. Wir haben uns München als Standort ausgesucht, weil wir wussten, wir brauchen für unser Vorhaben schlaue Köpfe, die sich mit Technologien, aber auch mit KI, IoT und Datenanalyse auskennen. Da ich an der TU München studiert habe, wussten wir, dass wir hier genau solche schlauen Köpfe finden.

Grundsätzlich würde ich das auch empfehlen: Analysieren, welcher Bedarf an Infrastruktur, Netzwerk, Mitarbeitenden usw. besteht. Überlegen, für welche Kundschaft die eigene Innovation interessant sein könnte und wo diese Kundschaft sitzt. Und dann den Unternehmenssitz entsprechend auswählen.

Rückblickend betrachtet: Was hat die Teilnahme am Gründungswettbewerb – Digitale Innovationen für die Entwicklung Eures Unternehmens gebracht?

Für uns war der Gewinn des Gründungswettbewerbs ein echter Meilenstein in vielerlei Hinsicht. Natürlich war die finanzielle Förderung eine große Hilfe. Dadurch hatten wir nicht nur die Mittel für eine Umfirmierung unseres Start-ups in eine GmbH, sondern auch, um unsere Entwicklung weiter voranzutreiben. Weiterhin, und das war und ist ein wichtiger Teil des Erfolges, hat uns die Auszeichnung einige Türen geöffnet und dabei unterstützt, ein Netzwerk aufzubauen, von dem wir heute noch profitieren.

Hast Du Tipps für alle die gerade dabei sind, zu gründen?

Natürlich habe ich auf der Gründungsreise einiges gelernt. Würde ich heute ein neues Unternehmen gründen, würde ich einige Dinge ganz anders angehen. Dazu gehört – und das kann ich als Tipp auch weitergeben – nicht zu früh Investments reinzuholen. Selbstverständlich brauchen Gründerinnen und Gründer Kapital, um ihre Ideen voranzutreiben. Aber wenn man zu früh beginnt, das eigene Produkt nur noch auf die Vorstellung von Investierenden, den Markt und die potenzielle Kundschaft hin anzupassen, ist die Gefahr groß, dass man zu sehr vom ursprünglichen Kurs abweicht und die Kernidee verwässert. Zu Beginn lieber konzentriert (und selbst finanziert) die eigene Idee und die eigenen Vorstellungen verfolgen und später schauen, welchen großen Kunden man diese anbieten kann. Denn: Große Kunden ziehen meist auch passende Investments nach sich.

Außerdem – das ist kein Tipp, aber etwas, was ich aus meinen Erlebnissen definitiv gelernt habe: Unternehmensgründung und -entwicklung verläuft nicht gradlinig. Es gibt keine perfekte Strecke zum Ziel, jeder (vermeintliche) Umweg hat seinen Sinn.

Das Lebensgefühl als Gründer:in in drei Worten.

abwechslungsreich

intensiv

vielseitig

Zum Abschluss: Ein Fun Fact über Hawa Dawa

Hawa Dawa bedeutet in mehr als sieben Sprachen der Welt „Luftmedizin“.